Wissenschaftliche Tagung im Rahmen von SHALOM MUSIK

Verfolgt – Vergessen – Wiederentdeckt

Wissenschaftliche Tagung im Rahmen von SHALOM-MUSIK.KOELN 2022 in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Musik & Tanz Köln

 
 

„DIE EINSAM LEBENDIGEN STERNE“: Die Wiederentdeckung NS-verfolgter und vergessener jüdischer Komponisten

Seit Ende 1980er Jahre wird die sogenannte „verfemte Musik“ - deren Verbreitung im 20. Jahrhundert durch Auswirkungen der NS-Diktatur verhindert wurde - wissenschaftlich erforscht und künstlerisch aufgearbeitet. In den vergangenen Jahren wurden ungeahnte musikalische Schätze gehoben - zahlreiche bis dahin vergessene oder gänzlich unbekannte Kompositionen, deren Wiederaufführungen und zum Teil sogar Uraufführungen das deutsche und internationale Musikleben enorm bereicherten. Mehrere Initiativen haben dazu beigetragen, darunter der Berliner Verein „musica reanimata. Förderverein zur Wiederentdeckung NS-verfolgter Komponisten und ihrer Werke e.V.“, die Arbeitsgruppe „Exilmusik“ der Universität Hamburg (die u.a. das Online-Projekt „Lexikon verfolgter Musiker und Musikerinnen der NS-Zeit“ betreut), die Leo Smit Stichting Amsterdam oder das Zentrum für verfemte Musik in Rostock. Viele hochkarätige Musiker beteiligten sich an den Konzertaufführungen und CD-Aufnahmen der wiederentdeckten Werke. Die Fülle der Veranstaltungen, CD-Einspielungen und Publikationen zum Thema „verfemte Musik“ kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Situation auf diesem Gebiet noch bei weitem nicht zufriedenstellend ist. Die im Rahmen des Festivals SHALOM-MUSIK.KOELN geplante Tagung soll nicht nur die bisherige Arbeit auswerten, sondern auch die immer noch vorhandenen Desiderata diskutieren.

Musikalisch endet das Symposium mit einem Konzert, u.a. gestaltet durch StudentInnen der Hochschule für Musik und Tanz Köln mit einem Jazz-Oratorium von Erwin Schulhoff.

Leitung: Prof. Dr. Jascha Nemtsov, Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar/ Abraham Geiger Kolleg der Universität Potsdam

 

Programm | 8. November 2022

14.00 – 14.45 Uhr
Über 30 Jahre musikalische Entdeckungen. Erfahrungen bei musica reanimata
Dr. Albrecht Dümling

14.45 – 15.30 Uhr
„Aufrecht und echt“: Adolf Busch (1891–1952) mit musikalischen Beispielen
Prof. Dr. Florence Millet

15.30 – 16.00 Uhr
Kaffeepause

16.00 – 16.45 Uhr
„Gott schuf zuerst Rhythmus“: Erwin Schulhoffs Liebe zum Jazz
Werner Herbers

16.45 – 17.30 Uhr
„Warme Menschlichkeit, die alles Technische mit Leben und Verantwortung erfüllt“: Bernhard Sekles (1872–1934) zum 150. Geburtstag
Prof. Dr. Jascha Nemtsov

 

Jascha-Nemtsov, Foto: Stefan Schmidt

Der Pianist und Musikwissenschaftler Jascha Nemtsov wurde 1963 im sibirischen Magadan geboren. Er studierte am Staatlichen Konservatorium in St. Petersburg und lebt seit 1992 in Deutschland. Er promovierte 2004 und habilitierte sich 2007. 2013 wurde er als Professor für Geschichte der jüdischen Musik an die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar berufen. Darüber hinaus ist er Akademischer Direktor der Kantorenausbildung des Abraham Geiger Kollegs an der Universität Potsdam, wo er ebenfalls lehrt. Nemtsov ist Herausgeber der Schriftenreihe „Jüdische Musik. Studien und Quellen zur jüdischen Musikkultur“ im Harrassowitz Verlag Wiesbaden. Seine wissenschaftlichen Arbeiten konzentrieren sich auf jüdische Musik und jüdische Komponisten im 19. und 20. Jahrhundert sowie Themen wie „Nationalismus und Musik“, „Religion und Musik“ oder „Totalitarismus und Musik“.

Als Pianist nahm er mehr als 40 CDs auf, die mehrfach international ausgezeichnet wurden. Die CD mit Sonaten für Violine und Klavier von Shostakovich und Weinberg mit dem Geiger Kolja Blacher erhielt 2007 den Preis der deutschen Schallplattenkritik. 2018 bekam Nemtsov den neugegründeten Opus Klassik Preis für seine Anthologie aus 5 CDs mit Klavierwerken des im Stalinismus verfolgten Komponisten Vsevolod Zaderatsky. 2020 erschien bei Hänssler Classic eine Box mit 3 CDs mit seinen Ersteinspielungen der Coplas Sefardies des sephardischen Komponisten Alberto Hemsi (zusammen mit der Sopranistin Tehila Nini Goldstein). Nemtsovs beide aktuelle CD-Projekte enthalten wiederentdeckte Werke der herausragenden deutsch-jüdischen Komponisten Hans Heller und Bernhard Sekles, die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung wurden.

Am 27. Januar 2012 und am 27. Januar 2022 spielte er anlässlich des Tages des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus im Deutschen Bundestag.

Jascha Nemtsov ist mit der Komponistin Sarah Nemtsov verheiratet, sie leben mit ihren drei Kindern in Berlin.

Im Rahmen von SHALOM-MUSIK.KOELN übernimmt er im Auftrag des Kölner Forum für Kultur im Dialog e.V. die wissenschaftliche Leitung der Tagung an der Hochschule für Musik und Tanz Köln: Verfolgt – Vergessen – Wiederentdeckt